Unser Finanzplatz, das sind wir alle
Sowohl die Steuereinnahmen als auch die von unserem Finanzplatz geschaffenen Arbeitsplätze zeigen, wie wichtig dieser Sektor für unser Land ist.
In den letzten Monaten hat das Coronavirus Covid-19 tiefgreifende Konsequenzen mit sich gebracht. Es ist sowohl eine Gesundheitskatastrophe als auch eine Katastrophe für unsere Wirtschaft.
Luxemburg konnte jedoch mit Entschlossenheit auf diese Herausforderung reagieren. Wir haben uns die Ressourcen zur Verfügung gestellt, die unser Gesundheitssystem in dieser einzigartigen Situation benötigt hat. Darüber hinaus wurde ein sehr solides Maßnahmenpaket ergriffen, um unsere Betriebe zu unterstützen und unsere Arbeitsplätze zu retten. Die Covid-Krise wird uns in diesem Jahr bis zu 3 Milliarden Euro kosten.
Diese Reaktion auf das Virus war möglich, weil wir über viele Jahre hinweg eine starke Wirtschaft aufgebaut haben, die zwar nicht allein, aber in hohem Maße von unserer Finanzindustrie angetrieben wird.
Es ist uns gelungen, aus diesem Sektor in Luxemburg eine echte „Industrie“ zu formen, wegen der wir vielleicht manchmal im Ausland kritisiert, aber auch oft bewundert werden. Es ist richtig, dass der Ruf der Finanzindustrie weltweit durch die Finanzkrise von 2008 schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, und dies sicherlich nicht ganz zu Unrecht. Wir dürfen allerdings nie vergessen, dass die Hauptfunktion der Finanzindustrie darin besteht, unsere Ersparnisse zu verwalten und uns und unsere Betriebe bei der Finanzierung unserer Vorhaben zu unterstützen. Auch unsere Banken, Investmentfonds und Versicherungen in Luxemburg erfüllen diese Rolle. Die Banken haben jetzt während der Krise erneut gezeigt, wie sie Unternehmen mit Laufzeitverlängerungen von Krediten geholfen haben. Nach dem Tornado im letzten Jahr haben unsere Versicherungen auch niemanden im Regen stehen gelassen und bis heute rund 65 Millionen Euro an die Opfer ausgezahlt.
Unser Finanzplatz hat allerdings immer noch mit kritischen Stimmen zu kämpfen, die uns das Bankgeheimnis zum Vorwurf machen oder Luxemburg nur durch LuxLeaks kennengelernt haben.
Unsere Finanzindustrie bestand jedoch nie nur aus unserem Bankgeheimnis, und LuxLeaks hatte nichts direkt mit den Aktivitäten unserer Banken, Versicherungen und Fonds zu tun. Unser Erfolg kann auch nicht darauf zurückgeführt werden, was wir übrigens an dem Erfolg sehen, den wir weiterhin in einem gänzlich veränderten Umfeld erleben.
Wir sind zum Beispiel in der globalen Fondsindustrie die Nummer 2 nach den USA. Dies ist möglich, weil wir von Luxemburg aus Fonds in ganz Europa und heute sogar weit darüber hinaus in mehr als 70 Ländern auf der ganzen Welt verkaufen können. Unsere Börse hat im Jahr 2007 weltweit die erste eine grüne Anleihe notiert und ist aufgrund der seitdem gesammelten Erfahrungen heute weltweit die Nummer eins für nachhaltige Anleihen in der Welt. Das ist doch etwas! Als unsere englischen Freunde 2016 beschlossen, die EU zu verlassen, verlagerten über 60 Finanzinstitute einen Teil ihrer Aktivitäten von London nach Luxemburg. Dies zeigt, dass wir auf diesem Gebiet sicherlich einer der größten Finanzplätze Europas sind.
Heute gelten wir als hoch spezialisierter Finanzplatz in Europa, der durch seine sprachliche und kulturelle Kompetenz im internationalen grenzüberschreitenden Geschäft eine wichtige Rolle erlangt hat. Je mehr Länder an einer Operation beteiligt sind, desto mehr Gesetze, Verwaltungen und Sprachen sind impliziert, und um so größer ist die Komplexität. Genau hier spielen wir in der europäischen, wenn nicht sogar in der weltweiten Champions-League mit. Ein Finanzinstitut, das einen Fonds in verschiedenen europäischen Ländern vertreiben möchte, wird dies bevorzugt von Luxemburg aus tun, weil es bei uns die Expertise findet, die ihm die Einhaltung aller unterschiedlichen Regulierungen ermöglicht. Selbst im Private-Banking-Geschäft oder bei den Lebensversicherungen sorgt genau diese über Jahrzehnte aufgebaute und auch noch heute, ohne Bankgeheimnis oder irgendwelche Steuervorteile, vorherrschende Spezialisierung dafür, dass Luxemburg eine wichtige Rolle spielt und dies ohne Bankgeheimnis oder irgendwelche Steuervorteile. Dieser Erfolg ist gut für uns alle, weil er dem Staat und damit uns allen zugutekommt.
In den letzten zehn Jahren ist der Anteil unserer Finanzindustrie an unserer Gesamtwirtschaft mit 30–31 % relativ stabil geblieben. Da unsere Wirtschaft im Laufe der Jahre stark gewachsen ist, bedeutet dies, dass sowohl der Finanz- als auch der Nicht-Finanz-Anteil parallel gewachsen sind. Es zeigt aber auch, dass der Finanzsektor, egal was passiert, der wichtigste Teil unserer Wirtschaft ist und bleibt.
So trägt der Finanzsektor nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialrates für das Geschäftsjahr 2017 beispielsweise 71 % zur kommunalen Steuer (kommunale Gewerbesteuer) bei. Dies bedeutet, dass er in hohem Maße die Initiativen der Gemeinden finanziert, die das Leben der Bürger vereinfachen oder verbessern, wie z. B. Kindertagesstätten, Schwimmbäder oder Fußballplätze.
Der Beitrag unserer Banken, Versicherungen, Fonds und der Beratungsbranche (Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Buchhalter usw.) an den Steuereinnahmen des Staates stieg zwischen 2011 und 2018 von 3 auf 4 Milliarden. Allein die von unseren Fonds gezahlte Abonnementsteuer (taxe d’abonnement) bingt dem Staat eine gute Milliarde Euro pro Jahr ein. Damit haben sie im Laufe der Jahre einen sehr wichtigen Beitrag bei den Staatsausgaben geleistet, sei es für die Gehälter von Beamten oder für Investitionen wie die Straßenbahn oder unsere Straßen, und natürlich für unser außergewöhnlich gutes Sozialversicherungssystem, Renten- und Krankenversicherungen.
Dieser Erfolg ist darüber hinaus für uns alle positiv, weil er viele Arbeitsplätze schafft.
Viele Menschen verbinden den Finanzplatz in erster Linie mit älteren Männern in Nadelstreifenanzügen. Dies ist das Bild eines Bankers, am besten noch ergänzt durch einen gewissen Taillenumfang und vielleicht sogar einer Zigarre im Mund. Die Realität sieht natürlich ganz anders aus, und unsere Finanzbranche besteht bei weitem nicht nur aus „Dicken“, sondern aus Menschen wie Sie und ich.
Unser Finanzplatz beschäftigt rund 51.000 Mitarbeiter, die Hälfte davon im Bankensektor, 31 % im Fondssektor, 8 % bei Versicherungsgesellschaften und 11 % bei Beratern (Treuhänder, Anwälte usw.). Dies unterstreicht die große Vielfalt in den verschiedenen Sektoren unserer Finanzindustrie. Aber auch innerhalb der einzelnen Sektoren gibt es eine Vielzahl von Arbeitsplätzen. Dies reicht von Ökonomen, Anwälten, Buchhaltern bis hin zu Köchen, Fahrern und Sicherheitspersonal, selbstverständlich ohne dabei Berufe wie Sekretär(in) zu vergessen, da wir trotz aller Digitalisierung ohne sie nicht gut abschneiden würden. Eine Branche, die aufgrund des Phänomens der Digitalisierung immer wichtiger wird, sind natürlich Informatiker und alle damit zusammenhängenden Berufe, wie Grafikdesigner.
Selbst wenn es wiederholt vorkommt, dass diese oder jene Bank einen Sozialplan ankündigen muss, liest man kaum, wie viele Arbeitsplätze gleichzeitig in einem anderen Finanzinstitut geschaffen wurden. Tatsächlich ist die Zahl der Arbeitsplätze unseres Finanzplatzes seit der letzten Finanzkrise Jahr für Jahr um 2 % gestiegen.
Obwohl unsere Banken kaum ein Beschäftigungswachstum verzeichneten, ist ihre Gesamtarbeitsplatzzahl stabil geblieben und nicht gesunken. Dies ist im Vergleich zu anderen Finanzzentren schon recht vorzeigbar. Das Wachstum war hauptsächlich bei den Fonds (+ 3 % pro Jahr) und vor allem bei den Beratern (+ 7 %) zu verzeichnen.
Unsere Finanzindustrie schafft nicht nur Arbeitsplätze für ihre eigenen Aktivitäten, sondern trägt auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen in anderen Bereichen bei. Jeder in der Finanzbranche geschaffene Arbeitsplatz trägt dazu bei, 1,4 weitere Arbeitsplätze in anderen Sektoren zu schaffen. Das heißt, wenn wir zwei Arbeitsplätze im Fond- oder Versicherungsbereich schaffen, unterstützen wir beispielsweise fast drei Arbeitsplätze im Horeca-Sektor unterstützen. Dies bedeutet, dass neben den 51.000 Menschen, die direkt für die Finanzindustrie arbeiten, 71.400 weitere Arbeitsplätze in anderen Sektoren von der Finanzindustrie mitgetragen werden.
Sowohl die Steuereinnahmen als auch die von unserem Finanzplatz geschaffenen Arbeitsplätze zeigen, wie wichtig dieser Sektor für unser Land ist. Sie stellen das Herz und den Wachstumsmotor unserer Wirtschaft dar, auf die wir auch in Zukunft bauen können und sollten.
Wenn es unserem Finanzplatz gut geht, geht es dem Land und uns allen gut.
Nicolas Mackel
Generaldirektor Luxembourg For Finance,
Agentur zur Förderung des Finanzplatzes
(Artikel aus dem LW vom 12. September 2020)